Haben Sie auch schon mal noch genießbare Lebensmittel weggeworfen, nur weil das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits abgelaufen war? Wir auch. So muss es aber nicht sein.
Eine multimedialer Selbstversuch von Juliane Mailin Porter, Katharina Brüning, Max Kakrow, Nico Friedt und Michelle Köhler
Die aktuellen Zahlen
Weltweit hungern über 800 Millionen Menschen – und trotzdem werden jährlich rund 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen.
Allein in Deutschland enden laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft jedes Jahr 12 Millionen Tonnen an Essen im Müll. Diese Menge entspricht einem Gesamtwert von etwa 25 Milliarden Euro. Mit 52 Prozent der gesamten Lebensmittelabfälle entsteht ein Großteil davon in privaten Haushalten. Jeder Verbraucher entsorgt Jahr für Jahr rund 75 Kilogramm Essen im Müll, oft allein deswegen, weil es optisch nicht mehr gefällt, oder das Mindesthaltbarkeitsdatum um wenige Tage überschritten ist – nicht selten wären diese jedoch noch geeignet für den Verzehr gewesen.
Die aktuellen Zahlen
Und das alles oft allein deswegen, weil die Lebensmittel optisch nicht mehr gefallen oder das Mindesthaltbarkeitsdatum um wenige Tage überschritten ist – nicht selten wären diese jedoch noch geeignet für den Verzehr gewesen.
Was ist Foodsharing?
Beim Foodsharing handelt es sich um eine Bewegung, die sich der Reduzierung der Lebensmittelverschwendung widmet. Die Initiative „foodsharing“ setzt sich seit 2012 in Deutschland, Österreich und der Schweiz dafür ein, Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu retten. Inzwischen zählt die Website foodsharing.de über 200.000 Mitglieder, die sich das Ziel gesetzt haben, dem unnötigen Entsorgen von Lebensmitteln entgegenzuwirken. Dabei retten rund 25.000 Freiwillige und Ehrenamtliche Nahrungsmittel sowohl von Privathaushalten, als auch von großen Betrieben, von denen bereits über 3.000 das Projekt unterstützen.
Das Ziel: Die Wegwerfkultur von Lebensmitteln und anderen Ressourcen zu reduzieren.
Klicken Sie auf die pulsierenden Punkte, um zu erfahren, wie Foodsharing funktioniert und wer daran beteiligt ist.
Unser Selbstversuch
Kimberley Mielke ist seit sechs Jahren Foodsaverin und hat schon einige Erfahrung. Wir haben uns ihr angeschlossen und sie auf ihrer Tour begleiten dürfen. Kurz vor 17 Uhr haben wir uns mit ihr zu einer Abholung bei einer Bäckerei in der Mainzer Altstadt verabredet. Sie erwartet uns bereits mit ihrem Fahrrad und zwei riesigen Taschen. Wir wollen natürlich mit anpacken und auch etwas mitnehmen. Unsere Ausrüstung: Einweg-Handschuhe, Brotdosen und Taschen. Die Bäckerei spendet Kisten mit Backwaren, die noch genießbar sind, sich aber über den Tag nicht verkauft haben.
Innerhalb von 15 Minuten sind alle unsere Taschen gepackt und die Kisten leer. Marmorkuchen, Schokocroissants und Brötchen bewahren wir an diesem Abend vor der Mülltonne. Unsere Tour ist damit aber noch nicht zu Ende. Jetzt heißt es, zum nächstgelegenen Fairteiler zu gehen. Auf der Internetseite von „foodsharing“ werden alle Fairteiler auf einer interaktiven Karte angezeigt. Diese werden von Foodsaver*innen und Foodsharer:innen betreut.
Auf dem 20-minütigen Weg wechseln wir uns mit dem Taschentragen ab. Das Schleppen macht „Kimmi“ sonst alleine. Am Fairteiler angekommen erinnert er uns eher an einen Hasenstall als an eine Box für Backwaren, Gemüse und Obst. In Mainz gibt es keine gekühlten Fairteiler. Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Eier sucht man deswegen vergebens. Im Sommer sind diese Lebensmittel auch mal der Sonne und der Hitze ausgesetzt. Die Foodsaver*innen sind dafür verantwortlich, dass die Lebensmittel, die sie abholen, noch genießbar sind. Wenn sie aber im Fairteiler liegen, können sie nicht mehr gewährleisten, dass das Essen dort auch lange haltbar ist.
„Achte auf deine Sinne – das heißt, du riechst dran, du schmeckst im Zweifelsfall dran, du kannst es fühlen und darauf kannst du auch vertrauen.“
Die Regeln sind gut lesbar in verschiedenen Sprachen am Fairteiler angebracht. Trotzdem passiert es auch ab und zu, dass Lebensmittel im Fairteiler landen, die dort gar nicht hineingehören. Bei unserem Selbstversuch fanden wir ein aufgeschnittenes Päckchen Curry-Sauce, die so nicht in den Fairteiler gehört. Um solche Regelverstöße schnell zu entdecken und zu beseitigen, wird der Fairteiler jeden Abend zwischen 18 und 20 Uhr von einer Foodsaver*in gereinigt.
Während „Kimmi“ den Fairteiler befüllt, kommen immer wieder Menschen vorbei, die erst seit kurzem dabei sind oder bereits Lebensmittelretter*innen waren, bevor es die Initiative überhaupt gab.
Das Fazit
Der Fairteiler ist jetzt gefüllt. Wir haben aber noch ein bisschen Zeit und Kimberley verrät uns, dass sich durch ihr Engangement für Foodsharing auch ihr Verhältnis zu Lebensmitteln und dem Mindesthaltbarkeitsdatum verändert hat.
Wir haben gelernt: Lebensmittel zu retten ist gar nicht so schwer, wie man denkt. Dafür muss man nicht einmal jede Woche einen Fairteiler befüllen. Meistens reicht es schon, sich die Lebensmittel vor dem Wegwerfen noch einmal genau anzuschauen und ein zweites Mal darüber nachzudenken, ob das jetzt wirklich weg muss.
„Wir haben ein Verteilungsproblem und kein Lebensmittelknappheitsproblem.“
Doro Stauche, Betriebsverantwortliche „foodsharing“
Können Sie sich vorstellen, Foodsharing auszuprobieren?
Falls ja, dann kommen Sie hier zur Fairteiler-Karte.
Dieses Projekt wurde von Studierenden als Abschluss der Lehrveranstaltung „Journalismus als Beruf“ im Bachelor-Studiengang Publizistik konzipiert, recherchiert und produziert. Für diese Lehrveranstaltung kooperieren die VRM und das Institut für Publizistik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.