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Das Jahr des Coronavirus: 2020 wird vielen von uns negativ in Erinnerung bleiben. Unser Jahresrückblick nimmt das Positive in den Fokus.

Eine Multimedia-Story von Dominik Ayen, Isabella Holtmann, Robin Müller & Miriam Rüdesheim

Warum überwiegend negativ berichtet wird

Buschbrände in Australien. Zwei Lockdowns, die mancher Existenzen zerstörten. Der qualvolle Tod George Floyds durch Polizisten. Katastrophe im Flüchtlingscamp in Moria. Daran denken wohl die meisten, wenn sie auf das Jahr 2020 zurückblicken. Ist denn gar nichts Positives passiert? Vermitteln die Medien uns zu viel Negativität? 

Eine Zeitreihenanalyse von Oliver Quiring der Jahre 1994 bis 1998 zeigte schon: Negative Meldungen fallen stärker ins Gewicht. Die Basis der Forschung waren Berichte über den Arbeitsmarkt in den Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, RTL und Sat1. Hier wurde die Medienberichterstattung mit der Arbeitslosenzahl verglichen. Das Ergebnis: An einigen Stellen zeigt sich, dass die Medien auch durchaus die Realität widerspiegeln. Aber: hohe Arbeitslosenzahlen und Entlassungen wurden in den Nachrichten eher Thema als die Belebung des Arbeitsmarktes.

Inzwischen gibt es bei diversen Medien immer häufiger die Kategorie “Good News“. Das bestätigt: Damit nicht nur negativ berichtet wird, braucht es eine eigene Kategorie, um auch mal etwas Positives schreiben zu können. Es zeigt aber auch, dass diese „Missstände“ den Medien bewusst sind und sie dagegenwirken. 

Aber ist eine rein positive Berichterstattung eine Lösung des Problems? Schließlich werden Dinge nicht besser, wenn wir wegschauen. Inzwischen gibt es Seiten, die sich auf „konstruktiven Journalismus“ konzentrieren. Hier werden auch negative Neuigkeiten zum Thema – mit einem Unterschied. In den Artikeln sollen Lösungen zu den Problemen beleuchtet werden. 

Bei unseren VRM-Zeitungen gibt es keine Rubrik „Die positive Nachricht“ des Tages. Unsere Haltung ist, dass wir die Welt nicht besser oder schlechter machen wollen durch unsere Berichterstattung. Unsere Aufgabe ist, die Menschen umfassend zu informieren und ihnen damit das Wissen an die Hand zu geben, ihr Leben ein bisschen besser zu meistern als ohne unsere mediale Unterstützung.

Stefan Schröder, Chefredakteur VRM

Ein Gefühl, das bei dem Blick auf die negativen Ereignisse 2020 auftreten kann, ist Weltschmerz. Der Duden definiert wie folgt: 

Wer Weltschmerz verspürt, leidet daran, dass aus seiner Sicht nur Negatives passiert. Risse in der Weltkugel sind für Betroffene zu sehen und auch zu spüren. Die Negativität zieht einen runter. Dem soll in diesem Artikel zumindest ein bisschen entgegengewirkt werden. Es wird einmal die Perspektive gewechselt: Was waren die positiven Ereignisse 2020 und was entwickelt sich im Laufe der Jahre immer mehr zum Positiven? Und vielleicht haben Sie danach auch das Gefühl: ja, es war nicht alles schlecht! 

Generelle Verbesserungen in den vergangenen Jahren

Bei einer solchen überwiegend negativen Berichterstattung gehen leider einige Entwicklungen verloren, die uns zeigen, wie gut es unserer Bevölkerung tatsächlich geht. Auch wenn sie es nicht immer in die täglichen Nachrichten schaffen, gibt es viele Anzeichen dafür, dass sich das Leben auf unserem Planeten in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich verbessert hat.  

Eine dieser Entwicklungen betrifft die extreme Armut in der Welt. Von extremer Armut ist jeder betroffen, der in einem Haushalt mit einem Einkommen von weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag und Kopf lebt. Der Anteil dieser Menschen ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gesunken.  

Ebenso haben sich die Zahlen der von Kinderarbeit betroffenen Menschen im Alter von fünf bis 17 Jahren stark reduziert und beinahe halbiert.  
Eine interessante Entwicklung ist darüber hinaus die Ausbreitung der Demokratie als Staatsform in vielen Ländern der Erde.

Doch nicht nur die Lebensumstände vieler Menschen entwickeln sich positiv in den vergangenen Jahren. Durch große Fortschritte im Bereich der Medizin und Versorgung steigt auch die Lebenserwartung in der Bevölkerung.

Neben diesen wichtigen Bereichen existieren noch viele kleine positive Entwicklungen, die in der gewaltigen Menge an Nachrichten nur wenig Aufmerksamkeit erhalten. 

91
der Weltbevölkerung haben Zugang zu Trinkwasser (Stand 2015)
89
der Weltbevölkerung haben Zugang zu Elektrizität (Stand 2018)
86
der Weltbevölkerung sind alphabetisiert (Stand 2016)

Heruntergefallene positive Ereignisse

Neben den allgemeinen verbesserten Lebensstandards hatte das Jahr 2020 sowohl national als auch international einige positive Nachrichten im Gepäck. National jährte sich beispielsweise das Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 2020 zum 75. Mal. Dieser Tag wurde in Berlin einmalig als Feiertag erklärt, um eine eindeutige Botschaft gegen Faschismus und Krieg und für den Frieden zu setzen. Außerdem wurde vergangenes Jahr 30 Jahre Wiedervereinigung gefeiert. Leider mussten hier aufgrund des Corona-Virus die großen Feierlichkeiten abgesagt werden. 

In unserer Hauptstadt wurde, man hielt es kaum für möglich, der Flughafen Berlin Brandenburg nach 15 Jahren Bauzeit endlich fertiggestellt. Ebenso wurde in Berlin ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, was es Opfern von Diskriminierung öffentlicher Stellen möglich macht, diese auf eine Entschädigung zu verklagen. 

Das Jahr 2020 stand definitiv unter dem Stern von Corona, was das wohl meistdiskutierteste Thema des Jahres sein dürfte. So ist es wenig verwunderlich, dass im Bezug auf positive Nachrichten auch Corona erwähnt werden muss. Zum Ende des Jahres wurden die ersten Impfstoffe bereitgestellt und in Großbritannien wurde in der westlichen Welt als Erstes geimpft. 

Neben Corona war eines der größten Themen des Jahres zweifelsfrei die Black-Lives-Matter-Bewegung, die in den USA startete und weltweit Anerkennung bekam. Zahlreiche Menschen auf der Welt solidarisierten sich mit der BLM-Gemeinde. Der Afroamerikaner George Floyd kam am 25.5.2020 bei einem Polizeieinsatz gewaltvoll zu Tode. Daraus resultierte, dass diese Bewegung die ganze Welt vereinte, um gemeinsam gegen Rassismus und Polizeigewalt aufzustehen. Etliche Demonstranten gingen auf die Straße, um gegen die leider immer noch bestehende Unterdrückung afroamerikanischer Menschen aufzustehen und das Wort für ihre Rechte zu erheben. Viele Länder und Städte organisierten Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt, bei denen Millionen Menschen für ihre Rechte auf die Straße gingen. 

Positive Nachrichten über den Klimaschutz

Auch Klimaschutzaspekte dürfen bei einem Jahresrückblick nicht vergessen werden. Tatsächlich war 2020 dafür ein recht positives Jahr.

Durch die Pandemie und den daraus folgenden Lockdowns, das vermehrte Arbeiten im Homeoffice, deutlich weniger Reisen und Flugverkehr, sanken die CO2-Emissionen weltweit um sieben Prozent. Im Verkehr sogar um 52 %. Dies brachte einen historischen Rückgang der globalen CO2-Emissionen um 8,8 % in der ersten Jahreshälfte. In Deutschland wurde ein Rückgang von 15 % verzeichnet, ein entscheidender Faktor dafür war der verringerte Landverkehr auf Autobahnen.

Auch der Erdüberlastungstag war 2020 drei Wochen später als in den Vorjahren. Die Denkfabrik Agora Energiewende rechnete aus, dass ungefähr zwei Drittel des Rückgangs am CO2-Ausstoß im vergangenen Jahr auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind.

Zwar wirken verringerte CO2-Emissionen dem Klimawandel entgegen, der Rückgang aus 2020 ist allerdings nicht besonders nachhaltig, denn es wird gehofft, dass sich nach der Pandemie die Wirtschaftsaktivität wieder erholt. Dies wird dazu führen, dass die CO2-Emissionen wieder steigen, wenn nicht aktiv etwas dagegen unternommen wird.

Das Wegbleiben von Kreuzfahrtschiffen brachte mit sich, dass in einigen Wasserregionen erneut Tiere entdeckt wurden. Delfine schwammen wieder an der Küste Hongkongs und in den Häfen Italiens. Auch die Kanäle in Venedig waren so klar wie schon lange nicht mehr. Schließlich verbesserte sich als Folge der Pandemie auch die Luft. Die Stickstoffdioxidbelastung sank, im Vergleich zum Vorjahr, um 30 %.

Immer mehr Städte bauten vergangenes Jahr ihre Umweltspuren aus, sodass Busse und Fahrräder einfacher, schneller und sicherer durch die Städte fahren können.

Der Bundestag beschloss 2020 ein Verbot von Wegwerfartikeln aus Plastik, dazu zählen unter anderem Trinkhalme, Plastikbesteck und Wattestäbchen. Dies setzte ein wichtiges Zeichen für den Schutz der Umwelt und besonders der Ozeane.

Der Ökostromanteil überstieg erstmals in einem Quartal die 50 %, denn das letzte Jahr war besonders windig und sonnig. Auch sank der Stromverbrauch als Folge einer schwachen Konjunktur und mit dem Rückgang der Industrieproduktion. Eine deutliche Marktverschiebung fand bei der Kohle statt. Zum Vergleich: 2010 lieferte Kohle 45 % der Stromversorgung, heute nur noch 27,5 %. Auch die Atomkraft läuft in den nächsten Jahren aus und wird von Ökostrom ersetzt. Somit hat sich die CO2-Bilanz in der Stromerzeugung deutlich verbessert.

Abschließend haben wir einen Experten zum Thema Klimaschutz in 2020 befragt. Konrad Licht arbeitet derzeit an einer App, die den Menschen Klimaschutz näherbringen soll, um möglichst viele dazu zu bewegen, sich ein bisschen klimafreundlicher zu verhalten.

Ausgewählte positive Nachrichten im Jahr 2020 weltweit

In der Nordsee wurden vergangenes Jahr 28.350 Seehunde gezählt, so viele wie seit Jahren nicht mehr.
Österreich verbietet Käfighaltung bei Legehennen seit dem 1. Januar 2020.
Zwei Java Nashornjungtiere einer stark gefährdeten Art in Indonesien entdeckt – Zahl stieg auf 74.
500m hohes Korallenriff in Australien entdeckt.
Abtreibung in Argentinien legalisiert.
Kostenlose Periodenprodukte in Schottland.
Gleichgeschlechtliche Ehe in Costa Rica legalisiert.
Legalisierung gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft in Montenegro.
Blutspenderegeln und Beschränkungen für homosexuelle Männer wurden gelockert in Amerika. Außerdem auch in Neuseeland, Großbritannien und Uruguay.
Delfine vor der Küste Hongkongs entdeckt.

Links / Quellen:

Foto Titelbild: freshidea – stock.adobe

Quiring, O. Die Fernsehberichterstattung über die Arbeitslosigkeit und ihr Einfluss auf wahlrelevante Vorstellungen der Bevölkerung — eine Zeitreihenanalyse 1994–1998. Pub 48, 1 (2003). https://doi.org/10.1007/s11616-003-0001-0-

Weltkarte: https://pixabay.com/de/vectors/weltkarte-erde-global-kontinente-306338/

 

Dieses Projekt wurde von Studierenden als Abschluss der Lehrveranstaltung „Journalismus als Beruf“  im Bachelor-Studiengang Publizistik konzipiert, recherchiert und produziert. Für diese Lehrveranstaltung kooperieren die VRM und das Institut für Publizistik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.