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Jährlich am Valentinstag stürzt sich die Werbeindustrie auf heterosexuelle Paare. Was macht das mit unserem Rollenverständnis? Ein Debattenbeitrag von Studierenden der Uni Mainz.

Von Tessa Sommer, Leonard Ganswindt, Philipp Embach und Julius Mehner

Das Maß an gelebter Gleichberechtigung kann im Alltag ganz unterschiedlich wahrgenommen werden und hängt auch immer vom eigenen, sozialen Umfeld mit ab. Ein Blick auf die nüchternen Zahlen zeigt jedoch, dass in der gesellschaftlichen Breite die Gleichberechtigung noch nicht überall Einzug erhalten hat. So sind Frauen in Führungspositionen noch immer unterrepräsentiert, die Entlohnung gleicher geleisteter Arbeit weist nach wie vor häufig Unterschiede auf (Gender-Pay-Gap). Und auch außerhalb des Berufes zeigen sich traditionelle Rollenbilder in manchen Bereichen verfestigt – wie die Ergebnisse einer Studie zeigen:

29
der Männer

&

21
der Frauen

denken, dass Frauen den Haushalt und die Kinderbetreuung zu verantworten haben, während die Männer für den finanziellen Unterhalt sorgen müssen.

Und dann ist Valentinstag

Es ist ein Tag, der vor allem an ihm selbst relevant zu sein scheint und uns um Jahrzehnte zurückwirft. Alles, was Frau sich bislang erkämpft hat, scheint am 14. Februar vergessen. Um dem Herrn des Hauses eine Freude zu machen, wird sich stereotypisch herausgeputzt, denn man will seinem Liebsten ja gefallen. Die teuren Dessous werden aus dem Schrank geholt, um dem Liebsten verführerisch die Tür zu öffnen, wenn dieser von einem langen harten Arbeitstag heimkommt.

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Woher kommt der Valentinstag?

Der Valentinstag entstammt dem Gedenken an den Heiligen Valentin. Nach einer Legende heilte Valentin von Rom während seiner Gefangenschaft die blinde Tochter eines Aufsehers. Kurz vor seiner Hinrichtung schrieb er ihr  einen Brief, den er mit „Dein Valentin“ unterzeichnete.

Und noch ein Valentin machte sich verdient. Valentin von Terni traute als einer der Ersten christliche Paare – und das in einer Zeit, in der das Christentum noch verboten war.

Im 14. Jahrhundert wurde das Fest des Heiligen Valentins dann erstmals mit der Liebe in Verbindung gebracht. Doch es dauerte noch einmal vier Jahrhunderte, bis aus dem Feiertag ein Tag wurde, an dem Liebende ihre Liebe feierten. In Deutschland wird der Valentinstag erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gefeiert. Hier stationierte US-Truppen etablierten den Brauch.

Aber warum wird er am 14. Februar gefeiert?

Eine mögliche Erklärung, warum wir gerade am 14. Februar den Valentinstag feiern, stammt aus dem römischen Reich. Dort war der 14. Februar ein Gedenktag für Juno, die Göttin der Geburt, Ehe und Fürsorge. Angeblich befragten an diesem Tag junge Mädchen ein Liebesorakel.

Während die Hausfrau am Tag der Liebe also in der Küche steht und alles vorbereitet, ist der Rosenkavalier auf dem Weg, um überteuerte Blumen und Pralinen zu kaufen und der Liebsten eine Freude zu machen. Es gibt sie noch immer: Die Erwartungshaltung, dass Mann die Frau beschenken muss.

Wie ist das bei Ihnen? Wie viel Geld geben Sie für Valentinstagsgeschenke aus?

Für einige gilt dabei offenbar: Je teurer, desto mehr liebt Mann seine Partnerin. Eine Statistik aus 2020 zeigt, dass die Ausgabebereitschaft für Geschenke am Valentinstag bei Männern um einiges höher ist als bei Frauen.

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Sexistische Werbung zum Valentinstag?

Diskriminierung und Sexismus sind in der Werbung seit Jahrzehnten etabliert. Ein Datum, wie der Valentinstag, steht da unter genauer Beobachtung. In Deutschland ist der Werberat als Selbstkontrolleinrichtung der Werbewirtschaft tätig. Seit seiner Gründung im Jahr 1972 stellt geschlechtsdiskriminierende Werbung den Beschwerdegrund Nummer eins dar. Laut Werberat sei es zu erwarten, dass an einem gesellschaftlichen und werblichen Highlight, wie dem Valentinstag, sexistische und diskriminierende Werbeinhalte Thema beim Werberat waren.  Allerdings seien in den letzten Jahren in diesem Zusammenhang keine Werbeinhalte gerügt worden.

Der Blumenhändler Bloomy Day hat im Jahr 2015 jedoch mit dieser Anzeige zum Valentinstag geworben:

Bloomy Days Valentinstags-Werbung 2015

In einem Interview mit der Fachzeitschrift W&V erklärte die Gründerin Franziska von Hardenberg, die Beweggründe: „Der Valentinstag nur einmal im Jahr und ermöglicht es uns, ein fast ausschließlich männliches Publikum anzusprechen. Das haben wir einfach mal gemacht. Trotz der klaren Botschaft aber immer noch in unserer eigenen Markenästhetik und, so glaube ich, auf eine intelligente, stilvolle Art.“ In sozialen Netzwerken erntete die Kampagne damals jedoch deutliche Kritik.

Werbeziel heterosexuelle Paare?

Der 14. Februar bietet so einige Fettnäpfchen – für Liebende genauso wie für die Werbeindustrie. Doch einige fühlen sich bei all dem nicht berücksichtigt: Beziehungen, die von der als üblich gedachten Konstellation männlich – weiblich abweichen, Menschen, die sich der LGBTQIA+-Community zuschreiben.

Klicken Sie auf das plus-Symbol, um mehr über die LGBTQIA+-Community zu erfahren:

Was bedeutet LGBTQIA+?

Die Abkürzung LGBTQIA* oder auch LGBTQIA+ kommt aus dem Englischen und beinhaltet die Anfangsbuchstaben der Wörter lesbian, gay, bisexual, transgender/transsexual, queer/questioning, intersex und asexual.

Übersetzt bedeutet das also lesbisch, schwul, bisexuell, transgender/transsexuell, queer/fragend, intersexuell, asexuell. Das * oder + am Ende soll weitere nicht genannte Geschlechtsidentitäten und -orientierungen, die sich als Teil dieser Gruppe fühlen, ebenfalls einschließen.  

Es ist der Unterschied zwischen lieben können und öffentlich anerkannt lieben dürfen, der mancherorts noch immer von Gekicher und schrägen Blicken gerahmt wird.

Die Werbeindustrie hat das inzwischen erkannt und geht zum Valentinstag nun zunehmend auch auf diverse Beziehungsmodelle ein. Doch während das auf der einen Seite die Sichtbarkeit queeren Gruppen erhöht, bleibt die Frage, ob die Werbenden damit am Ende nicht doch die alleinigen Gewinner sind und einen eigentlich gut gemeinten Ansatz zur Gewinnmaximierung ausbeuten.

Sichtbarkeit ist lediglich einer der ersten Schritte auf dem langen Pfad zur umfassenden Inklusion, daher lohnt es sich zu beobachten, ob die Werbetreibenden darüber hinaus bereit sind, diesen Weg weiter zu bestreiten. Denn es sollte klar werden, welche Intentionen ihrem Drang nach Sichtbarkeit zugrunde gelegen haben.

Eine persönliche Hoffnung

Die Gesellschaft und Unternehmen erkennen in Zukunft hoffentlich, dass es nicht ausreicht am Valentinstag allein „traditionelle“ Beziehungstypen zu bedienen. Auch nicht heteronormative und weitere nicht traditionelle Beziehungskonzepte, sowie auch die LGBTQIA+-Community, sollten an diesem „Tag der Liebe“ einbezogen werden. Mittlerweile hat sich die Werbelandschaft, nach massiver Kritik z.B. auch an Bloomy Days, gewandelt.

Doch sexistische und diskriminierende existiert Werbung weiterhin. Und viele Teile der Gesellschaft sind noch immer nicht ausreichend repräsentiert. Mit der allgemeinen Sichtbarkeit von alternativen Beziehungstypen und Geschlechtsidentitäten ist es wahrscheinlich, dass sich auch das Bild des Valentinstags in den nächsten Jahren zugunsten der Sichtbarkeit dieser Gruppen verändert. Die Autor:innen dieser Story würden eine solche gesellschaftliche Veränderung begrüßen und bedauern, dass der Wandel hin zu einem inklusiverem Festtagsbrauch so lange schleppend voranging.

Dieses Projekt wurde von Studierenden als Abschluss der Lehrveranstaltung „Journalismus als Beruf“  im Bachelor-Studiengang Publizistik konzipiert, recherchiert und produziert. Für diese Lehrveranstaltung kooperieren die VRM und das Institut für Publizistik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.


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