Auch nach 20 Jahren hält sich die Kritik am Bachelor-Studium: Geringe Berufschancen, hohe Studienabbruchsraten und gestresste Studenten. Aktuelle Studierende haben gefragt: Was ist dran an der Kritik?
Ein Uni-Projekt von Jens Baum, Karoline Ecker und Lena Daume
Vor 20 Jahren wurde durch die Bologna-Reform – die namensgebende Stadt ist auf dem Bild zu sehen – der Bachelor beschlossen und nach und nach in weiten Teilen Europas eingeführt. Immer wieder gab und gibt es heftig Kritik an dem europäischen Reform-Programm. In Deutschland gipfelten diese 2009 in den Studenten-Protesten, als der Bachelor auch hier in einer Bildungsreform eingeführt wurde. Man befürchtete von Seiten der Studenten und Dozenten vor allem eine Ökonomisierung der Bildung.
Ein Gruppe von Studierenden, die gerade ihren Bachelor an der Universität Mainz begonnen hat, fragt sich: Wie sieht es heute aus?
Die Bologna-Reform
Die Bologna Reform wurde am 25. Mai 1998 als Beitrag der verschiedenen EU-Länder zur Entwicklung der Hochschulsysteme in Europa erstellt. Der Fokus der Bologna-Reform lag auf der Mobilität. Es soll eines geschaffen werden: ein gemeinsamer Hochschulraum. Gleiche Voraussetzungen für alle.
Die Gründer der Idee für die Bologna-Reform sind die ehemaligen Bildungsminister aus Deutschland, Frankreich, Italien und des Vereinigten Königreichs. Am 25. Mai 1998 hatten diese Minister den Wunsch nach einem erkennbaren, konkurrenzfähigen und attraktiven gemeinsamen Hochschulraum geäußert. Um diesen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen haben am 19. Juni 1999 30 europäische Staaten die Bologna Erklärung unterzeichnet, mit dem Ziel diesen Hochschulraum zu bilden.
Ziele der Bologna-Reform:
Gehen Sie mit der Maus über die Boxen oder tippen Sie mit Ihrem Finger, wenn Sie ein Mobilgerät nutzen, um mehr zu erfahren.
Fakten in Zahlen:
(Quellen: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Blickpunkt Arbeitsmarkt – Akademikerinnen und Akademiker, Nürnberg, April 2019 // Statistisches Bundesamt 2019 // Hochschulrektorenkonferenz. Hochschulkompass, Sommersemester 2019)
Universitätsabschlüsse:
Früher studierte man in Deutschland Diplom- oder Magisterstudiengänge oder schloss das Studium mit einem Staatsexamen ab. Seit der Bologna-Reform gibt es eine Umstellung auf das zweistufige Bachelor-Master-System.
Bachelor
Der Bachelor ist der niedrigere Abschluss im zweistufigen Studiensystem. Die Regelstudienzeit liegt zwischen sechs und acht Semestern – je nach Fach und Hochschule. Der Bachelor ist offiziell ein erster „berufsqualifizierender Abschluss“ – man kann damit direkt ins Berufsleben starten. Er wird an Fachhochschulen und Universitäten angeboten, wobei erstere oft eher praxisorientierte Studiengänge anbieten. Die Leistungen fließen ab dem ersten Semester in die Endnote ein. Der Bachelor entspricht grob dem Vordiplom. Er qualifiziert für ein weiterführendes Masterstudium.
Master
Der Master ist der höhere Abschluss im zweistufigen Studiensystem. Er erfordert einen ersten Hochschulabschluss. Das ist in der Regel der Bachelor, aber auch andere Abschlüsse wie das Diplom werden vereinzelt zugelassen. Konsekutive Masterstudiengänge erfolgen direkt nach dem Bachelor, während weiterbildende Masterstudiengänge auch Jahre später berufsbegleitend aufgenommen werden können. Die Dauer liegt bei zwei bis vier Semestern. Der Master entspricht grob dem früheren Diplom. Ein Master-Abschluss berechtigt zur Promotion.
Diplom
Vor der Bologna-Reform war das Diplom der häufigste Hochschulabschluss. Heute gibt es nur noch wenige Diplom-Studiengänge. Vor allem im technischen Bereich ist der Diplom-Abschluss sehr anerkannt und wird daher nach wie vor beziehungsweise wieder von einigen Hochschulen vergeben. Die Endnote eines Diplomstudienganges wird in erster Linie mit der Examensprüfung am Ende des Studiums erhoben. Ein Diplomstudiengang dauert in der Regel zwischen acht und zehn Semester. Das Diplom berechtigt zur Promotion.
Magister
Im Unterschied zum oft technisch ausgerichteten Diplom konnten Magister-Studenten aus einer breiteren Fächerauswahl ihren Studiengang zusammenstellen. Ein Magister-Studium konnte aus zwei Hauptfächern oder einem Hauptfach und zwei Nebenfächern bestehen. Er war vor allem in geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Fächern verbreitet. Ein Magisterstudiengang dauerte in der Regel neun Semester. Auch der Magister berechtigte zur Promotion.
Staatsexamen
Staatsexamen sind Abschlussprüfungen, die vom Staat abgenommen werden. Grund dafür ist das besondere gesellschaftliche Interesse an der Qualität bestimmter Studiengänge. Staatsexamen gibt es in den Fächern Medizin und Jura als auch beim Lehramt. Für alle anderen Studiengänge überträgt der Staat diese Aufgabe an die Hochschulen. Heute haben allerdings viele Bundesländer ihre Lehramtsstudiengänge auf das Bachelor/Master-System umgestellt. Die Regelstudienzeit bis zum ersten Examen beträgt je nach Fach zwischen sechs bis zwölf Semester. Nach dem ersten Examen und einer praxisnahen Phase folgt das zweite Staatsexamen. Auch eine Promotion ist möglich.
Kritik am Bachelor-Abschluss
Die Einführung des Bachelor-Master-Systems brachte viel Kritik mit sich. Einige Bedenken haben sich als unnötig herausgestellt, andere werden bis heute geäußert. Der Präsident der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Professor Dr. Georg Krausch, und Yannik Volk, Referent für Hochschulpolitik vom AstA der Universität Mainz, nehmen Stellung dazu.
Ein Kritikpunkt lautet, dass das neue Studiensystem zu einem höheren Stresslevel unter Studenten geführt hat. Klicken Sie auf die Logos, um die Meinungen der beiden Befragten zu sehen – und stimmen Sie selbst ab!
(Bild vom Präsident der JGU : ©Jana Kay/JGU)
Ein weiterer Kritikpunkt lautet: Das Diplom war ein in der Wirtschaft hoch anerkannter Studienabschluss. Der Bachelor hatte dort zunächst Startschwierigkeiten. Bis heute halten insbesondere viele Studenten einen Bachelor-Abschluss nicht für ausreichend, um auf dem Arbeitsmarkt Erfolg zu haben.
(Bild vom Präsident der JGU : ©Jana Kay/JGU)
Das geringe Vertrauen in den Bachelor führt dazu, dass viele Studenten ein Master-Studium anhängen. Einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit zufolge haben vier von fünf Bachelor-Absolventen nach ihrem Abschluss ein Master-Studium begonnen.
Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages aus dem Jahr 2015 ergab, dass nur 47 Prozent der 2000 befragten Unternehmen mit ihren eingestellten Bachelor-Absolventen zufrieden waren. Mit den Master-Absolventen waren immerhin 78 Prozent zufrieden. Der Aussage, dass Bachelor-Absolventen gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet seien, stimmten nur 16 Prozent der Unternehmen zu.
Auch die Zahl der adäquat Beschäftigten unterscheidet sich deutlich zwischen Bachelor- und Masterabsolventen. Einer Statistik der Bundesagetur für Arbeit zufolge, übten lediglich 69 Prozent der Uni-Bachelor-Absolventen eine Tätigkeit aus, für die ein Hochschulabschluss erforderlich ist, während dies bei den Uni-Master-Absolventen 94 Prozent waren. Und auch die Verdienstchancen unterscheiden sich deutlich.
(Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Blickpunkt Arbeitsmarkt – Akademikerinnen und Akademiker, Nürnberg, April 2019)
Auch die hohe Zahl an Studienabbrechern wird immer wieder kritisiert. Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) schätzt die Studienabbruchsquote für deutsche Studierende im Bachelorstudium auf 28 Prozent. Darunter finden sich jedoch auch Studenten, die lediglich das Fach oder die Hochschule wechseln.
Insgesamt zeigen Studien zum Studienabbruch, dass die Entscheidung das Studium aus eigenem Wunsch zu beenden durch eine Vielzahl äußerer und persönlicher Faktoren bedingt ist.
Prof. Dr. Georg KrauschPräsident der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Die Gründe für einen Abbruch des Studiums können vielfältig sein. Man sollte unterscheiden zwischen Studierenden, die unzufrieden mit zum Beispiel dem Studienfach oder der Hochschule sind, die durch finanzielle und/oder familiäre Gründe gezwungen sind [...] und Studierenden, die ihren Prüfungsanspruch verwirkt haben.
Jannik VolkReferent für Hochschulpolitik des Allgemeinen Studierendenausschusses der JGU Mainz
Unser Fazit
Die Bologna-Reform hat seit ihrer Einführung viele und wesentliche Änderungen im deutschen Hochschulsystem zur Folge gehabt. Eine Begleiterscheinung ist die stetig wachsende Zahl an Studierenden. Aber auch steigende Studienabbruchszahlen gelten heute als direkte Konsequenz der Reform. Die Antwort, ob Studierende heute mehr Stress durch die Bologna-Reform haben ist sicherlich schwer zu beantworten und muss differenziert betrachtet werden. Allerdings sind sich sowohl der Allgemeiner Studierendenausschuss (Asta) als auch die Leitung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz einig, dass man von einer generellen Zunahme an Stress im Studium sprechen kann. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Bachelor oftmals ein früheres Diplomstudium nicht adäquat ersetzen kann. Daher steigt die Anzahl der Masterstudierenden ebenfalls seit Jahren, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden.
Dieses Projekt wurde von Studierenden als Abschluss der Lehrveranstaltung „Journalismus als Beruf“ im Bachelor-Studiengang Publizistik konzipiert, recherchiert und produziert. Für diese Lehrveranstaltung kooperieren die VRM und das Institut für Publizistik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.