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Die Flutkatastrophe an der Ahr ist ein Jahr her. Unser Fotograf hat kurz nach der Flut die Lage dokumentiert. Und ist ein Jahr später an die Orte zurückgekehrt. Was hat sich getan?

Eine Foto-Reportage von Lukas Görlach, Friedrich Roeingh und Katharina Petermeier

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 verwüstet eine meterhohe Sturzflut das Ahrtal. Schon am Nachmittag des 14. Juli 2021 tritt die Ahr am Oberlauf über das Ufer. Das Wasser steigt und steigt. Es ist 23.09 Uhr in der Nacht, als der Kreis Ahrweiler die höchste Alarmstufe ausruft. In Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig sollen Häuser evakuiert werden. „Es besteht Lebensgefahr“, heißt es. Nur wenige Stunden später kommt es im Ahrtal zu dramatischen Szenen.

134
Menschen sterben bei der Flut im Ahrtal
766
Menschen werden verletzt

Einige Menschen flüchten auf Dächer. Wassermassen reißen ganze Häuser mit. Orte versinken in den braunen Fluten. Die Bilder der zerstörten Ortschaften gehen um die Welt.

An der oberen und mittleren Ahr sind manche Ortsteile bis zu 72 Stunden von der Außenwelt abgeschnitten. Mit den Rettungssanitätern, Feuerwehren und den Räumfahrzeugen kommen dann die ersten freiwilligen Helfer und auch die Journalisten ins Tal.

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Menschen sind allein im Ahrtal von der Flut betroffen
9000
Gebäude werden entlang der Ahr schwer beschädigt oder zerstört

Tausende freiwillige Helfer sind in den Orten zum Teil über mehrere Monate im Einsatz. Fünf Tage nach der Katastrophe brechen die VRM-Reporter Lukas Görlach, Thomas Ehlke und Friedrich Roeingh zum ersten Mal als Berichterstatter nach Ahrbrück und Altenahr auf. In diese kleinen Dörfer sind bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Fernsehteams vorgedrungen. Sie machen sich ein Bild von der Zerstörung und helfen – mit einer großangelegten Spendenaktion der VRM. Genau ein Jahr nach der Flut kehrt unser Fotograf Lukas Görlach nun erneut in die Ortschaften zurück, um neue Bilder aus denselben Positionen zu machen. Was hat sich seitdem verändert? Die Gegenüberstellung dokumentiert eindrucksvoll das Ausmaß der Zerstörung und die kleinen Schritte zurück zur Normalität.

Das Ahrtal in 20 Bildvergleichen

Bewegen Sie den Schieberegler nach links oder rechts, um den direkten Vergleich zu sehen. Auf der linken Seite sehen Sie stets ein Bild, das wenige Tage nach der Flut aufgenommen wurde. Auf der rechten Seite sehen Sie den gleichen Ort ein Jahr später. 

Entlang der Ahr hat die Flut ihre Spuren hinterlassen. Ein Jahr später sind viele, von den Wassermassen zerstörte, Häuser von der Bildfläche verschwunden. Doch der Straßenbelag ist wieder erkennbar und die Ahrbrücke sieht wieder nach einer Brücke aus.

Direkt neben der stark beschädigten Ahrbrücke türmten sich vor einem Jahr die Müllberge und das Abwasser floss direkt in die Ahr. Inzwischen ist der Schutt verschwunden.

Diese Drohnenaufnahme über Ahrbrück zeigt, wie sich die Natur teilweise erholt hat. Um die Ahr wird es langsam wieder grün.

Ein Grund für die Flutkatastrophe war Treibgut,  das die Ahrbrücken blockierte und eine Art Staudamm gebildet hat. Einige Brücken wurden dadurch einfach weggerissen, andere hielten dem Druck stand.

Doch nicht überall ist der Fortschritt auf den ersten Blick zu erkennen. Die Metzgerei „Heisse Theke“ in Ahrbrück hat sich von außen kaum verändert. Der Verkaufsraum und die Fenster wurden vorübergehend mit Planen abgedeckt. Die Erwartung eines schnellen Wiederaufbaus hat sich nicht erfüllt.

Diese Drohnenaufnahmen wurden zwischen Ahrbrück und dem Ortsteil Brück aufgenommen.

Zahlreiche Häuser waren durch die Flut einsturzgefährdet. Ein Jahr später ist von diesen drei Häusern nichts mehr übrig.

Direkt neben der Hauptstraße in Ahrbrück fließt die Ahr. Hier sammelte sich besonders viel Treibgut an.

Die in der Nähe liegende Bushaltestelle hat die Flut aber überstanden und steht bis heute. Inzwischen wurde sie vom Schlamm befreit.

Nach der Flut standen diese beiden Wohnhäuser erst noch. Doch schon damals waren sie einsturzgefährdet. Ein Jahr später sind beide Wohnhäuser verschwunden.

In Altenburg gibt es nun viel Freifläche. Häuser wurden komplett abgerissen, sollen aber wieder aufgebaut werden. Einige Fundamente wurden schon neu gegossen.

Diese zwei Häuser hat es in Altenburg, direkt an der Ahr, besonders schwer getroffen. Und auch ein Jahr nach der Flut sind die Ausmaße der Wassermassen an der Hausfassade noch deutlich erkennbar.

Auf dieser Luftaufnahme über Altenburg ist zu sehen, dass es einige Gebäude in der ersten Reihe nicht mehr gibt. Dafür gibt es heute eine neue Hilfsbrücke zur Sankt Maternus Kapelle.

An dieser Hauswand ist noch klar der Schriftzug zu erkennen: „Stand 1.8 THW“. Der Müllberg direkt vor dem Haus ist Geschichte.

Auch den Tourismus hat die Flut hart getroffen. In einem Gasthof in Altenburg, vor dem 2021 Schutthaufen liegen, sind Übernachtungen bis heute unvorstellbar.

Im Ortsteil Brück sind die meisten Schutthaufen inzwischen verschwunden. Einige Gärten zur Ahr werden wieder hergerichtet.

Schlamm, Müll, Grund und Treibgut: An fast jeder Ecke waren vor einem Jahr meterhohe Schuttberge zu sehen. LKW sind im Minutentakt durch die Ortschaften gefahren und haben den Müll abtransportiert.

Nicht nur Häuser, sondern auch einige Brücken konnten der Flut am Ende nicht standhalten. Die Instandsetzung dauert an.

Der Ortsteil Kreuzberg wurde in der Flutnacht ebenfalls stark beschädigt. Im rechten Drittel des Bildes führte damals eine Bahntrasse entlang der Ahr. Auch ein Jahr nach der Katastrophe ist die Strecke noch immer nicht befahrbar.

Wohin man auch geschaut hat, überall wurde im vergangenen Jahr im Ahrtal geholfen. Unzählige Freiwillige verbrachten ihre Freizeit dort, um mit anzupacken. Ohne sie wären die Schutthaufen nicht verschwunden. Doch noch immer bleibt viel zu tun.

Doch was bleibt?

Der Traum vom schnellen Wiederaufbau ist bei vielen im Ahrtal inzwischen geplatzt. Bernd Gasper hat durch die Flut sein Haus verloren. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erzählt er ein Jahr später:

Die Aufbaueuphorie ist verflogen. Es ging weder unbürokratisch noch schnell.

Bernd Gasperverlor bei der Ahrflut sein Haus, rechts im Bild mit Bruder Gerd Gasper

Ein Jahr nach der Flut sind es vor allem die kleinen Fortschritte, die sichtbar sind. Der Schutt ist weitestgehend beseitigt, einsturzgefährdete Häuser wurden abgerissen. Doch das Ahrtal, wie man es bis zum 15. Juli 2021 kannte, hat sein Gesicht noch lange nicht zurück. Die Politik ist am Zug. Kurz vor dem ersten Jahrestag der Flutkatastrophe erneuerte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ein Versprechen – das sich auch in Taten beweisen muss.

Keiner hat das Ahrtal und die anderen Regionen vergessen. Wir werden so lange bleiben, wie Unterstützung und Hilfe gebraucht werden.

Malu DreyerMinisterpräsidentin Rheinland-Pfalz

Mitwirkende:


Bilder: Lukas Görlach, Lili Oberle, dpa
Texte: Friedrich Roeingh, Lukas Görlach und Katharina Petermeier
mit Material der dpa
Grafik und Layout: Sabine Stang